Sparen, Steuern und Schulden - Armeefinanzen im Fokus
Finanzierungsvorschläge aus Parlament und Bundesrat führen die SOG gelegentlich in ein Dilemma. Aus dem SiK-S verabschiedeten Sonderfonds über 15 Milliarden Franken wird der Armee ein grosser und sehr verlockender Knochen von 10 Milliarden Franken vor die Füsse geworfen. Ist es moralisch (oder sicherheitspolitisch) vertretbar, ein so grosszügiges Geschenk auszuschlagen, oder stimmt es vielleicht doch, dass es keinen «free lunch» gibt.
Die Schweizerische Offiziersgesellschaft (SOG) begrüsst grundsätzlich jedes Vorgehen, das zu einer Erhöhung des Armeebudgets führt. Sie setzt sich für eine kohärente und nachhaltige Armee- und Sicherheitspolitik ein und ist der Ansicht, dass die damit verbundenen finanzpolitischen Überlegungen im Gesamtzusammenhang zu sehen sind. Seit Beginn des scheint sich zumindest in den bürgerlichen Parteien und linken Kreisen der Eindruck verfestigt zu haben, dass sich die Schweizer Armee in einem ziemlich desolaten Zustand befindet. Am offensichtlichsten ist, dass es der Armee an genügend moderner Ausrüstung und Munition mangelt, um auch nur wenige Wochen durchzuhalten.
Eine Auslegeordnung
- Der Reigen der zelebrierten Entschlossenheit, der Kehrtwenden, der Selbstinszenierungen verschiedener Protagonisten und der pathetischen Schuldzuweisungen in Sachen Armeefinanzen zeigt allerdings: Wir sind in der Substanz so weit wie im Frühjahr 2022.
- So könnte man den gegenwärtigen Stand der Debatte auf den Punkt bringen: Die bürgerlichen Parlamentarier werfen dem Bundesrat de facto vor, ihren Forderungen nicht nachzukommen, obwohl dies realistischerweise nur unter Verletzung der Schuldenbremse möglich wäre. Zudem soll dem Bundesrat die unangenehme Aufgabe überlassen bleiben, vorzuschlagen, welche Klientelen mit Subventionskürzungen brüskiert werden sollen. Bei den Mitgliedern beider Räte ist wenig Lust zu spüren, sich an dieser Frage die Finger zu verbrennen. Der Bundesrat plant im Rahmen der Verfassung und der geltenden Gesetze, was ihn faktisch daran hindert, bürgerliche Wünsche zu erfüllen. Er ist insofern in einer komfortablen Lage, als er dem Parlament mit dem Voranschlag lediglich Vorschläge unterbreitet und es dem Parlament als Hüter der Budgethoheit obliegt, über die effektive Zuteilung der finanziellen Mittel zu entscheiden.
- Die bürgerliche Mehrheit gibt sich entschlossen: Ab Anfang 2030 soll die Armee ein Prozent des BIP erhalten. SVP und FDP verteidigen die Schuldenbremse aber entschiedener als den Mittelbedarf der Armee. Sparen soll es richten. Aufgezählt werden Bereiche, die in den letzten Jahren überproportional gewachsen sind, wie die Internationale Zusammenarbeit (IZA) und die Sozialausgaben. Dass letztere grösstenteils gebundene Ausgaben sind, d.h. einzelne gesetzliche Grundlagen haben, die alle angepasst werden müssten, wohl jedes Mal mit einem Referendum, wird heruntergespielt und als Kleingeistigkeit abgetan, wenn man nach den realen Chancen dieses Vorgehens fragt. Dabei müssten FDP und SVP glaubhaft darlegen, wie sie das Volk, das sich gegen den Willen der bürgerlichen Parteien grosszügig eine 13. AHV-Rente gönnt, von einem Abbau der Sozialleistungen überzeugen wollen. Auch über den Zeitbedarf für diesen Gesetzgebungsreigen mag man nicht sprechen.
- Im bürgerlichen Begehren spielt die SVP in einer eigenen Kategorie. Sie legt im Februar 2024 ein Papier zur Wiedererlangung der Verteidigungsfähigkeit vor, dessen materielle Umsetzung mindestens 2 Prozent des BIP erfordern würde, wobei die geforderte zweite Tranche von F-35-Kampfflugzeugen nicht eingerechnet ist. Gleichzeitig hat sie erklärt, dass die Landwirtschaft von den Sparrunden zugunsten der Armee ausgenommen werden soll.
- Die Schuldenbremse ist ein Verfassungsinstrument, das wesentlich zur guten Wirtschafts- und Finanzlage der Schweiz beigetragen hat und weiterhin soll. FDP und SVP müssen sich aber den Vorwurf gefallen lassen, dass sie nur so viel Sicherheitsbedrohung zulassen, wie es die Schuldenbremse zulässt.
- Die Mitte, oder zumindest Teile von ihr, wären angesichts der düsteren Sicherheitsperspektiven für Europa bereit, eher für die Armee als für die Schuldenbremse einzutreten, auch auf die Gefahr hin, sich zum Steigbügelhalter der SP für grenzenlose Staatsausgaben zu werden.
- Allen Akteuren dieses politischen Schattenboxens scheint gemeinsam zu sein, dass sie die realen Zielkonflikte zwischen parteipolitischen Partikularinteressen und Armeefinanzen herunterspielen oder so tun, als gäbe es sie nicht. Solange dies die Richtschnur des eigenen Handelns ist, wird die Armee ausser Lippenbekenntnissen nichts erreichen. Und die Uhr tickt.
- Wie könnte eine Lösung aussehen? Erstens müssen sich alle Beteiligten mit der Vorstellung anfreunden, dass ein Prozent des BIP bis 2030 zwar sehr erstrebenswert, aber zunehmend unrealistisch ist. Zweitens müssen in allen Bereichen, in denen Kürzungen ohne Gesetzesänderungen möglich sind, substanzielle Kürzungen vorgenommen werden, auch in der Landwirtschaft und vor allem in der internationalen Zusammenarbeit. Mehr Geld für die Armee von Gesetzesänderungen abhängig zu machen, ist bestenfalls Selbsttäuschung. Im Zuge der Einigung darüber, wie viel gekürzt werden kann, muss festgelegt werden, wie viele zusätzliche Mittel für die Armee ab 2030 tatsächlich freigesetzt werden können. Diese Absenkung des Anspruchsniveaus ist kein vaterlandsloser Defaitismus. Die Armee braucht nicht nur grossartige Entschlossenheit. Sie braucht dringend mehr Geld.
Fazit: Zuerst sparen, Subventionen kürzen, Armeefinanzen über das reguläre Budget erhöhen. Und wenn das nicht reicht, vorübergehend Steuern erhöhen. Lockerung der Schuldenbremse nur nach strengen Kriterien – ohne Präjudiz.
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