Ein Radfahrer wird routinemässig am Zoll kontrolliert. Sein verdächtig grosser Rucksack weckt das Misstrauen der Zollbeamten. Sie leeren den Rucksack jedes Mal vollständig und durchsuchen ihn nach Schmuggelware. Enttäuscht stellen sie fest, dass der Mann nicht gegen die Zollvorschriften verstösst. Dieser packt seine Sachen und fährt weiter. Lange nach seiner Pensionierung traf der Zöllner den Radfahrer wieder. Neugierig und fragte er ihn, was er all die Jahre geschmuggelt habe. Seine Antwort: jedes Mal ein neues Fahrrad.
Wie oft ertappen wir uns, voreingenommen etwas erreichen oder beweisen zu müssen, nur um nachher festzustellen, dass wir uns haben täuschen lassen. Das Offensichtliche und das Naheliegende sind trügerisch, wenn es darum geht, Schlussfolgerungen zu ziehen, die in sich geschlossen und logisch sind. Wir suchen am falschen Ort, glauben mehr zu wissen und lassen uns irreführen.
So geschehen mit der Friedensdividende. Ja, nach 1990 wurden Streitkräfte massiv zurückgefahren und die Fähigkeit, konventionelle Kriege zu führen, weitgehend aufgegeben. Ja, man glaubte im Verkehr mit Russland und China an Wandel durch Handel und Partnerschaften statt Konfrontation. Ja, Alarmzeichen wurden ausgeblendet, weil sie nicht in neue geistige Tunnelröhren passten, zu teuer schienen und konventionelle Kriege für Europa sowieso als Vergangenheit angesehen wurden. Die Dividende ist weg, der Krieg zurück und die Wiederherstellung der Verteidigungsfähigkeit kostet sehr viel Geld, Zeit und Personal.
Der Schweizer Rucksack mit dem Neutralitätsverständnis und dem Kriegsmaterialgesetz (KMG) stösst an den Grenzen zu unseren Nachbarn und Verbündeten immer mehr auf Unverständnis. Den Rucksack deswegen abzulegen wäre jedoch falsch, weil er weder internationales noch nationales Gesetz verletzt. Die ablehnende Wahrnehmung unser Kritiker rührt daher, dass die Schweiz die Verbündeten in ihrer Unterstützung der Ukraine behindern. Nicht alles was legal ist, ist auch legitim. Wir weigern uns Kritik anzunehmen und bestehen auf unserer Wahrnehmung. Am Ende aber zählen Gesetze und diese können angepasst werden. Nicht opportunistischer Hauruck, sondern durch den geregelten politischen Prozess.
Die beiden Sicherheitskommissionen von National- und Ständerat bringen Bewegung in die festgefahrene Diskussion um die Wiederausfuhr von Rüstungsmaterial. Ein Gesetzesentwurf, der das KMG anpassen soll, kann nun angepasst werden. Ein vorsichtiges Signal an die europäischen Partner und eine Erleichterung für unsere Rüstungsindustrie. Es sind die Taten, bzw. die Gesetze, die den Worten folgen müssen. Die Hürden für eine Wiederausfuhr bleiben hoch und der Zeitplan für die Umsetzung könnte den Ukrainekrieg überdauern.
GSoA auf verlorenem Posten
Wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit. Dieses Devise hat sich vermutlich die Gruppe Schweiz ohne Armee zu Herzen genommen. Spät, wenn nicht zu spät, hat sie erkannt, dass es mit der Armeeabschaffung keinen Blumentopf zu gewinnen gibt. Sie versuchen krampfhaft, mit armeefeindlichen Parteikollegen die Armee abzuschaffen oder durch indirekte Vorstösse die Armee so zu schwächen, dass sie ihr Ziel erreichen. Die Zeichen der Zeit haben sie vermutlich übersehen und stehen nun auf etwas verlorenem Posten. Die Liste der am 14. Mai 2023 in Solothurn beschlossenen Massnahmen liest sich wie ein verzweifelter Versuch, nicht in der politischen Bedeutungslosigkeit zu versinken. Die Gruppe Schweiz ohne Armee besteht jedoch auf ihrem Namen.
Die Allianz Sicherheit Schweiz, ursprünglich als Gegenpol zur GSoA gedacht, hat sich zu einer professionell geführten Kampagnenorganisation entwickelt. Zusammen mit der SOG konnte sie wichtige Erfolge verbuchen. Besonders hervorzuheben ist die erfolgreiche NKF-Kampagne, die zum Beschaffungsauftrag von 36 F-35A führte. Die weitere konsequente Ausrichtung auf militärische und sicherheitspolitische Anliegen bestätigt den eingeschlagenen Weg. Der Erfolg gibt uns Recht, bleiben wir wachsam und aktiv.
Zielbild 2030+
Mit dem kommenden Abschlussbericht zur Weiterentwicklung der Armee (WEA) Mitte Jahr sollten wichtige Erkenntnisse und Konsequenzen aus der Korrekturreform aufgezeigt werden. Die Zeit der periodisch wiederkehrenden Armeereformen, wie wir sie in den letzten Jahrzehnten erlebt haben, gehört der Vergangenheit an. Die Zeiten ändern sich, und wir (mit der Armee) ändern uns in ihnen. Die Milizarmee blickt nach vorne und erwartet von den Armeeplanern einen Blick zurück, um sich zu vergewissern, dass sie noch Gefolgschaft hat. Nur so kann sichergestellt werden, dass alle an Bord die Veränderungen mittragen. Mit dem Zielbild 2030+ und einer angepassten Verteidigungsstrategie soll die Schweizer Armee für die Zukunft fit und verteidigungsfähig gemacht werden. Die geopolitischen Verwerfungen und die rasanten technischen Fortschritte fordern eine umfassende Sicherheitsarchitektur. Ein Ziel ohne Plan ist nur ein Wunsch, so wie ein Plan ohne Budget ein Wunsch bleibt. Die SOG verlangt kein Wunschbudget, sondern die geforderten Ein-Prozent BIP bis 2030 und eine starke Unterstützung durch die bürgerlichen Parteien. Der Paradigmenwechsel von einer finanzgetriebenen Beschaffungsplanung hin zu einer fähigkeitsbasierten Armeebotschaft nimmt die Politik stärker in die Budgetverantwortung. Bei einer Verschiebung des Ein-Prozent Ziels auf 2035 fehlen der Armee 10 Milliarden. Die definierten Fähigkeiten bleiben bestehen. Die Zielerreichung verzögert sich jedoch aufgrund fehlender Finanzmittel.
Die SOG rechnet damit, dass die Armeeführung noch in diesem Jahr eine überarbeitete Militärdoktrin vorlegt. Für die Erarbeitung eines SOG Positionspapier bildet die Verteidigungsstrategie die Grundlage zur Beurteilung bestehender Ressourcen oder notwendiger Neubeschaffungen. Unter der Berücksichtigung einer neuen Lage basierend auf finanziellen, technischen, wirtschaftlichen und politischen Kriterien wird die SOG ihre Forderungen definieren bzw. Kompromisse vorschlagen.
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