Der Nationalrat verhindert eine spärliche Zeitenspende für die Armee.
«Ein Kompromiss ist, wenn alle Beteiligten gleichermassen unglücklich sind, oder das bekommen, was sie nicht wollen. Kompromisse sind nicht mit Glücksgefühlen verbunden.» (Angela Merkel). Berichte und Papiere sind geduldig, Partikularinteressen entscheiden über Abstimmungen. Zudem stört das Parlament sich an den ständig wandelnden, zum Teil als subjektiv wahrgenommenen Bedrohungsszenarien. Sicherheitspolitik und Armeefinanzen sind mühsame und zeitintensive Geschäfte. Die Schweizer Politik zeigt ist jedoch zunehmend sensibilisiert für die Ängste und Sicherheitsbedürfnisse einer verunsicherten Gesellschaft.
Der kürzlich erschienene Expertenbericht Gaillard markiert gleichzeitig eine neue Phase im Kampf um den finanziellen Aufwuchs der Armee. Wenn sich all jene, die ebenso lautstark wie halbherzig nach beschleunigter Steigerung der Armeeausgaben gerufen haben, vom Inhalt dieses Expertenberichts überrascht zeigen, dann wohl aus Enttäuschung über das sich rasch nähernde Ende der Illusionen, die Armeefinanzen möglichst schmerz- und reibungslos zu erhöhen. Um es vorwegzusagen: die Expertengruppe Gaillard hat beeindruckende Arbeit geleistet und mit der gebührenden Emotionslosigkeit auf tatsächlich vorhandenes Sparpotenzial hingewiesen. Wer stets zu finanzpolitischer Verantwortung mahnt, sollte ob der Gründlichkeit und Seriosität der Arbeit begeistert sein.
Die im Bericht vorgeschlagenen Massnahmen haben es in sich. Subventionen sind eines der wichtigsten Mittel, mit denen Politiker ihre Klientelen zufriedenstellen. Subventionskürzungen, die den eigenen Interessenraum betreffen, sind deshalb für jeden Politiker ein Albtraum.
Vielleicht ist das, was der Schweiz jetzt bevorsteht, eine finanzpolitische Zeitenwende. Die finanzielle Lage des Bundes kann kaum mehr beschönigt werden. Allein schon die Überalterung der Gesellschaft mit den Konsequenzen für die Finanzierung der Sozialwerke lässt sich nicht wegwünschen. Stellt man diesen Ausgaben die Grosszügigkeit gegenüber, mit der Bundesrat und Parlament bislang viele Sonderinteressen unterstützen, so sind grundsätzliche Anpassungen wohl unausweichlich. Die finanziellen Begehrlichkeiten von links und rechts stehen auf dem Prüfstand. Die in der Schweiz sonst so beliebte Opfersymmetrie dürfte nicht ausreichen. Alle Parteien bewirtschaften auf ihre Art die realen Ängste des Bürgers. Die SP die Angst vor Sozialabbau, Grüne die Umweltangst, die Mitte von allem etwas, die FDP den wirtschaftlichen Niedergang und die SVP die Angst vor den Folgen von Migration und Asyl. Gegen diese Bewirtschaftung von Verlustängsten finanzielle Ansprüche für die Armee geltend zu machen, scheint schwierig.
Was bedeutet das für die Armeefinanzen? Brutal gesagt müssen wir davon ausgehen, dass bei der Finanzierung des 1% BIP-Anteil bis 2030 unter der Bundeshauskuppel ein heftiger Gegenwind entgegen bläst. Wir hätten eine Chance gehabt, aber die parlamentarischen Flügelkämpfe der letzten anderthalb Jahre haben sie zunichte gemacht. Der neue Verteilkampf geht um Besitzstandswahrung. Am einfachsten dürfte es sein, trotzig mit verzögerter Umsetzung bestehender Planungsszenarien zu drohen und es dabei zu belassen. Aber das entbindet die Armee nicht davon, eine entsprechende Verzichtsplanung vorzubereiten.
Just in diesen angespannten Kontext fällt der Bericht der Studiengruppe Sicherheitspolitik. Als Mitglied dieser Studiengruppe ist es nicht meine Aufgabe, dieses Papier hier inhaltlich zu würdigen. Trotzdem kurz die wesentlichen Erkenntnisse: Die Sicherheitslage ist bedenklich und wird noch schlechter, die Armee ist auszubauen. Die Schweiz muss mehr und besser sicherheitspolitisch und militärisch kooperieren können, und deshalb müssen wir ein neues Verständnis von Neutralität finden, welches sich weniger am 19. Jahrhundert ausrichtet und stattdessen dem Gedanken der kollektiven Sicherheit, wie er der UNO-Charta zu Grunde liegt, orientiert.
Der Bericht der Studiengruppe sollte keine eigenständige sicherheitspolitische Konzeption sein, sondern mit den Empfehlungen ein Baustein auf dem Weg zur Erarbeitung der sicherheitspolitischen Strategie 2025, der Ende 2025 vorliegen soll. Trotzdem wäre es ein unverständlicher finanz- und verteidigungspolitischer Fehlschluss zu glauben, die Armee könne auf verbindliche finanzpolitische Zusagen verzichten, bis der Strategiebericht 2026 verabschiedet wird. Die Armee baucht Planungssicherheit und die Finanzen – Jetzt!
Wenn das Parlament in der Wintersession 2024 die finanzpolitischen Pflöcke für die kommenden 10-15 Jahre, auch für die Armee, einschlägt, dann wird das entscheidenden Einfluss auf die sicherheitspolitische Strategie haben. Wenn es das nicht tut, dann ist die Strategie wenig glaubwürdig.
Der Nationalrat hat in der Herbstsession mit einem soliden bürgerlichen Schulterschluss seine Verantwortung wahrgenommen und in der Armeebotschaft 24 den Zahlungsrahmen bis 2028 um 4 Milliarden auf 29,8 Milliarden erhöht. Am Ende setzte sich die Variante Theiler I durch. Der 10-Milliarden-Sonderfonds, welcher nur im links-grünen Lager unterstützt wurde, hatte in der gleichen Variantenabstimmung keine Chance gegen die bürgerliche Mehrheit bestehend aus SVP, FDP und Mitte. So erfreulich diese Weichenstellung ist, die Wintersession wird es richten müssen. Dabei geht es nicht nur um den Zahlungsrahmen, der über Kompensationen geäufnet werden soll, sondern vor allem um das Armeebudget 25. Nur dort fliesst das Geld, um die Rechnungen zu bezahlen. Neben dem Verpflichtungskredit im Rüstungsprogramm von 660 Millionen für Bodluv MR müsste auch der Voranschlagskredit (Zahlungskredit) von 660 Millionen bewilligt werden. Wer A sagt muss auch B-zahlen.
Cicero hat es auf den Punkt gebracht: «nervos belli, pecuniam infinitam». Der Nerv des Kriegs ist unendlich viel Geld. Krieg verschlingt Geld, das man nicht hat und von dem man nicht genug bekommen kann. Kriege zu verhindern kostet einen Bruchteil davon.
Eckwerte Theiler I: 1. Mehreinnahmen durch Senkung Kantonsanteils der direkten Bundessteuer. 2. Betriebsaufwand Gruppe Verteidigung und Armasuisse senken. 500 Mio. Franken gestaffelt ab 2025 bis 2028. 3. Einsparungen bei der internationalen Zusammenarbeit (IZA). 4. Reduzierung Personalaufwand über alle Departemente. Ausnahme Gruppe Verteidigung und Armasuisse. |
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