2021-2025: Das Ende meiner Amtszeit ist gekommen. Sicherheitspolitisch war sie geprägt von Erschütterungen, die sich wohl nur notorische Pessimisten so hätten ausmalen können. Die Schweiz hatte auf diese keinen Einfluss, aber auch sie ist in deren Sog und muss sich klar positionieren.
Die nüchterne Feststellung: wir sind nicht bereit, und zwar nicht bloss die Armee, sondern auch der Nachrichtendienst, die Cyberabwehr, oder das Dispositiv für den Umgang mit hybriden Bedrohungen. Schuldzuweisungen florieren. Sie sind beliebt, in der politischen Debatte und an den Stammtischen 2.0, d.h. den sozialen Medien. Die Funktion von Schuldzuweisungen ist dreifach: erstens demonstrieren sie Betroffenheit, und zweitens versprechen sie Punkte im Klima des mittlerweile permanenten Wahlkampfs. Es ist der dritte Nutzen, auf den ich hier eingehen möchte: Schuldzuweisungen vernebeln die eigene Mitverantwortung an einem Malaise. Die Schweiz ist ein durch und durch bürgerlicher Staat, zumindest was die Zusammensetzung des Bundesrats und die Mehrheitsverhältnisse im Parlament angeht. Das bedeutet, dass die sicherheitspolitischen Defizite, mit denen wir heute konfrontiert sind, nicht einer politischen Minderheit in die Schuhe geschoben werden können. Sie sind, um es brutal auf den Punkt zu bringen, das Resultat der Prioritätensetzung der Mehrheit. Will man diese Defizite beheben, so bedingt es einer Korrektur der staatspolitischen Prioritätensetzung. Ein bisschen sparen, wo es der eigenen Klientel nicht wehtut, reicht da nicht. In der Budgetdebatte zeigt sich jeweils, wo die Prioritäten wirklich liegen. Mit Geld allein lässt sich die aktuelle sicherheitspolitische Schwindsucht aber nicht kurieren. Prioritär müssen auch wirkungsvolle Massnahmen gegen die Erosion des Dienstpflichtsystems beschlossen und umgesetzt werden. Das wird nicht ohne Federnlassen des Zivildiensts möglich sein, der gewiss Nützliches leistet, aber kein Sicherheitsinstrument ist. Ein weiteres Wuchern der Bundesverwaltung ist gewiss zu verhindern, aber zu meinen, dann müssten halt alle etwas bluten, auch der Nachrichtendienst und die Cyberabwehr, ist verantwortungslos. Opfersymmetrie ist beliebt und bequem, aber nicht zielführend. Alle diese Massnahmen werden politischen Lärm provozieren, den es auszuhalten gilt. Ist die politische Komfortzone prioritär, dann soll man sicherheitspolitisch leiser auftreten. All diese Massnahmen kosten Geld. Auf einer anderen Ebene ist die Frage des koordinierten Einsatzes. Die Schweiz ist derzeit schlecht gewappnet, wenn es um den Umgang mit hybriden Bedrohungen geht, um diesen verworrenen und verwirrenden Mix von Massnahmen, mit denen das politische System, die Handlungsfähigkeit von Staat und Wirtschaft und das Vertrauen der Bevölkerung unterwandert werden soll. Eine Krisenverordnung des Bundesrats, die Managementfehler aus der Covid-Zeit künftig vermeiden will, entspricht diesem Ziel nicht. Und letztendlich werden wir uns auch nicht der Frage entziehen können, wie wir uns strategisch in unserem Umfeld positionieren wollen. Bis jetzt lautet die Standardantwort: neutral. Vielleicht ist diese Antwort auch für die Zukunft richtig. Einer nüchternen Analyse sollte man sich trotzdem nicht entziehen. Dass Neutralität und Rüstungsexporte nicht so leicht zusammengehen, erfahren wir mit zunehmender Deutlichkeit. Sachzwänge sind auch in der Sicherheitspolitik der Normalfall. Diesen muss man sich stellen, auch wenn es viel einfacher ist, sie weg zu behaupten. Gefragt sind keine Schuldzuweisungen, sondern Entschlossenheit und der Mut, endlich Prioritäten zu setzen.
Auf welche Bedrohungen muss sich die Schweiz einstellen, wenn die Politik der Armee die finanziellen Mittel verweigert? Konsequent (stur) auf den unwahrscheinlichen, gefährlichsten Fall vorbereiten oder doch eher auf den wahrscheinlichen Fall und die internationale Zusammenarbeit intensivieren? «Switzerland first» soll nicht heissen, «Switzerland alone».
Eine grosse Mehrheit der Schweizer Bevölkerung steht hinter der bewaffneten Neutralität. Denn a) bewaffnet bedeutet einerseits, eine Armee zu haben, und b) Neutralität ist andererseits wenig umstritten. Es entsteht der Eindruck, dass die Armee gerade mal moderat nach- und aufgerüstet wird. Das, um sich nicht dem Vorwurf auszusetzen, sie zu vernachlässigen und sie an der Erfüllung ihres Auftrages zu hindern. Doch in letzter Konsequenz sind es aber nicht Politik und Gesellschaft, die dahinterstehen. Es sind andere Sorgen als die militärische Sicherheit: Angst vor Wohlstandsverlust, schwindende Pensionskassen, steigende Gesundheitskosten, zunehmende Migration, belastende Klimaveränderungen, mangelnder Umweltschutz, sinkende Wirtschaftsleistung usw. Die bewaffnete Neutralität scheint in unserer saturierten Wohlstandsgesellschaft nur ein Störfaktor zu sein.
Rückblick und Dank
Dies ist meine 40. und letzte Kolumne in der ASMZ. Ich möchte mich für die vielen erfreulichen Rückmeldungen und kritischen Kommentare bedanken. Sie haben mich motiviert, jeden Monat ein aktuelles Thema kritisch zu beleuchten. Es war mir eine besondere Ehre, ein ausserordentliches Privileg und eine grosse Freude, die SOG während meiner vierjährigen Amtszeit präsidieren zu dürfen. Bedauerlich fand ich immer, wenn einzelne Exponenten aus der Miliz-Community sich wieder in persönlichen Profilierungspirouetten zu verlieren schienen, wenn politische und gesellschaftliche Aussenwirkung doch der Fokus hätte sein sollen.
Meinem Nachfolger, Oberst im Generalstab Michele Moor, gratuliere ich herzlich zu seiner souveränen Wahl und wünsche ihm viel Erfolg, eine gute Portion Gelassenheit, Zufriedenheit und das notwendige Quäntchen Soldatenglück. An dieser Stelle möchte ich auch der Chefin VBS, dem CdA, der Armeeführung, den Parlamentarierinnen und Parlamentariern, den Offizieren und Mitgliedern für gute Zusammenarbeit herzlich danken. Den loyalen Kameraden im SOG-Vorstand sowie dem Generalsekretariat danke ich für die sehr angenehme Zusammenarbeit. Ihnen und den anderen Vorstandsmitgliedern wünsche ich unter dem neuen SOG Präsidenten alles Gute sowie viel Erfolg. Ich danke allen, die die ASMZ weiterhin abonnieren.
Mit den besten kameradschaftlichen Grüssen und getreu dem Grundsatz «Servir et disparaître» melde ich mich ab.
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